Was halten Knotenschlingen ?

Ob die Schlinge wohl hält?!? Wer hat sich die Frage nicht schon gestellt, wenn er einige Meter über der letzten Schlinge noch einen windigen Zug machen mußte. Die Qualität einer gelegten Knotenschlinge besser beurteilen zu können, war Ziel einiger Untersuchungen, die von uns an der TU Dresden durchgeführt wurden.

Im Elbsandsteingebirge und im Zittauer Gebirge werden zur Sicherung nur die vorhandenen Ringe, Zackenschlingen, Sanduhrschlingen und Knotenschlingen (Rißschlingen) verwendet. Bei Ringen kann man davon ausgehen, daß sie jede auftretende Sturzbelastung halten.

Bei Zackenschlingen und Sanduhrschlingen ist entweder die Felsqualität für die Haltekraft maßgeblich oder, bei dünnem Schlingenmaterial, die Reißkraft der geknoteten Schlinge.

Es gab bisher keine systematischen Untersuchung darüber, was Knotenschlingen halten. Die zugänglichen Informationen sind im wesentlichen die eigenen Erfahrungen, Anschauung, Erzählungen anderer Kletterer und die jährlichen Unfallberichte. Eine obere Grenze stellt sicher die angegebene Reißfestigkeit des verwendeten Schlingenmaterials dar. Aber sonst ist ein breites Spektrum von teils widersprüchlichen Erfahrungen vorhanden. So sollen schon größere Stürze von "mäßig liegenden" 5 mm Schlingen gehalten worden sein, während es dickere "gar nicht so schlecht aussehende" Schlingen auch schon herausgerissen hat.

Welche Kräfte treten bei einem Sturz auf?

Welche Kräfte auf eine Zwischensicherung bei einem Sturz wirken, wurde schon von Mägdefrau [1] untersucht. Im Elbsandstein wird meist mit Einfachseil geklettert. Weiterhin kann man davon ausgehen, daß auch an den Ringen fast ausschließlich über den Körper als Fixpunkt, mit Achter oder HMS gesichert wird. Es sollen hier nur zwei Ergebnisse von Experimenten mit einem 60 kg schweren Kletterer als Fallgewicht als Beispiel zitiert werden:

Beispiel1: Sicherung über Achter, Einfachseil, Abstand Sicherungspunkt-Umlenkung 3.8 m, Kletterturm


freie Fallhöhe  gesamte Fallhöhe    Kraft auf Zwischensicherung   
(m)             (m)                 (kN)                          
0.8             1.55                2.8                           
1.2             2.25                3.1                           
1.6             2.9                 3.35                          
2               3.7                 3.8                           






Bei Sicherung über Fixpunkt oder Verwendung von Zwillingsseil werden die auftretenden Kräfte etwas höher, ebenso erhöhen sich die Kräfte proportional bei höheren Körpergewicht.

Beispiel2: Fixpunktsicherung, Einfachseil, Abstand Sicherungspunkt-Umlenkung 8m, 4 weiteren Zwischensicherungen und Seilreibung am Fels, Körpergewicht auch hier 60 kg


freie Fallhöhe  gesamte Fallhöhe    Kraft auf Zwischensicherung    
(m)             (m)                 (kN)                           
2               3                   4.9                            
3.8             5.3                 6.85                           


Kräfte über 10 kN (1000 kp) treten in der Praxis so gut wie nicht auf, hier müssen sehr ungünstige Verhältnisse zusammenfallen, wie: sehr große Sturzhöhe bei großem Sturzfaktor, statische Sicherung, sehr große Seilreibung oder Abklemmen des Seiles in der Zwischensicherung, sehr großes Kletterergewicht.

Experiment:

An der Universität Dresden, im Institut für Werkstoffwissenschaft wurden an einer Zugprüfmaschine (FP 10) Experimente durchgeführt, im wesentlichen, um die Haltekraft verschiedener Knoten in Abhängigkeit von der Verengung zu untersuchen. An der verwendeten Zugprüfmaschine konnten Kräfte bis 10 kN eingestellt werden. Mit Hilfe von Metallstücken konnten Spaltbreiten bis 12 mm in Schritten von 0.5 mm eingestellt werden.

Bild der Einspannung

Somit wurde die Untersuchung auf dünne Schlingen und Kräfte unter 10 kN beschränkt. Der Bereich von 2-10 kN ist allerdings auch der interessante Bereich, der über das Halten oder Nichthalten einer Schlinge entscheidet; es kann auch in gewissen Maße von dünnen Schlinge auf dickere Schlingen geschlossen werden. Der Einfluß der Form der Verengung konnte nicht untersucht werden, da nur eine schraubstockähnliche Einspannung zur Verfügung stand.

                     Sackstich   Sackstich            

                     Achterknoten             

                     einlitziger Sackstich   

                     einlitziger             
                     Achterknoten            

                     "Neuner"                

                     Kinderkopf              
Lochschlingenknoten     


Für eine Messung wurde nun ein Abstand eingestellt, die Schlinge eingelegt und dann die Kraft erhöht, bis die Schlinge durchgezogen wurde, gerissen war oder die Maximalkraft von 10 kN erreicht war. Der Abstand wurde in Schritten von 0.5 mm variiert. Zunächst getestet wurden Sackstich und Achterknoten bei Schlingenstärken von 3-7 mm. Bei 5 mm Schlingenstärke wurden dann auch noch andere Knoten getestet, wie einlitziger Sackstich und einlitziger Achterknoten, vierlitziger Sackstich und Achterknoten, "Neunerknoten" (wie Achterknoten, nur eine Umschlingung mehr) und Patentknoten. Schließllich wurden noch drei verschiedene Bandschlingentypen, Flachband 2*12 mm, Flachband 1.4*23mm (Rucksackgurt) und Schlauchband 3*25 mm getestet.

Die gemessenen Kräfte wiesen größere Streuungen auf, im Bereich +/- 10 - 20%. Hier spielt sicher hinein, wie der Knoten gerade eingelegt und wie er geknüpft wurde. Die Streubreite ist aber ausreichend, um Aussagen machen zu können.

Die nominelle Reißfestigkeit von Schlingen (Herstellerangabe) liegt allgemein bei ca. 200-250 N * d² (d: Schlingendurchmesser in mm). Man muß aber wissen, das diese Werte nur für Schlingen ohne Knoten gelten. Durch Knoten werden diese Kräfte teils erheblich reduziert! Unsere Experimente ergaben für den Sackstich eine Reduktion der Reißkraft auf 55%, für den Achterknoten auf 60%! Für einlitzige Knoten und Bandschlingenmaterial lagen die Werte noch darunter, nämlich bei 35-45%!

Bei den Experimenten konnte man beobachten, daß sich erst die Knoten beim Zusammenziehen verdickten. Dann aber wurden die Knoten wieder dünner, da das Schlingenmaterial gestreckt wurde. Eine Stichprobe ergab eine Dehnung vor dem Zerreißen von 30%. Die Verdickung des Knotens bewirkt, das teilweise Knoten hinter Verengungen halten, durch die der Knoten vorher noch durchgestopft werden konnte. Die Verdünnung macht sich bemerkbar, indem es einen Bereich gibt, in dem die Kraft, die zum Durchziehen des Knotens benötigt wird, fast linear mit schmaler werdender Verengung zunimmt. Ab einer bestimmten Spaltbreite läßt sich der Knoten dann nicht mehr durchziehen, sondern reißt bei einer nicht mehr steigenden Kraft.

Die Breite, bei der ein Knoten gerade nicht mehr durchrutscht, hängt vom Knoten ab. Für den Achterknoten kann man hier eine Breite von etwa dem doppelten Schlingennenndurchmesser angeben. Bei dem Sackstich ist diese Breite etwas geringer, etwa 1.75. Bei einlitzigen Knoten ist diese Breite noch geringer, nämlich 1.5 (Acht) bzw. 1.2 (Sackstich).


Haltekraft von Knotenschlingen in Abhängigkeit von der Breite der Verengung bei verschiedenen Reepschnurdurchmessern. Volle Symbole: Schlinge gerissen, leere Symbole: Schlinge durchgezogen. Der kurze vertikale Strich markiert die kleinste Spaltbreite, durch die sich der entsprechende Knoten in loser Form gerade noch durchstopfen läßt. Hier sind die Ergebnisse Sackstich zweilitzig bei verschiedenen Reepschnurdurchmessern dargestellt.


In dieser Grafik sind die Ergebnisse von Achterknoten zweilitzig bei verschiedenen Reepschnurdurchmessern dargestellt.


Hier findet sich der Vergleich verschiedener Knoten mit 5mm Reepschnur. Mit "Neuner" ist hier der Achterknoten mit einer Umschlingung mehr gemeint.


Hier sind die Ergebnisse von verschiedenen Bandschlingen zusammengestellt.

Wann sollte man welchen Knoten verwenden / Welcher Knoten ist am besten geeignet?

Ein guter Knoten zeichnet sich dadurch aus, daß er sich auch durch breite Verengungen nicht durchziehen läßt, andererseits auch möglichst wenig Platz einnimmt. Das Schlingenmaterial sollte nach Möglichkeit so gewählt werden, daß es die auftretenden Belastungen auch hält. Hier kann man gleich einfügen, daß einlitziges Flachband und 3 mm oder 4 mm Reepschnur nur als Ruheschlinge taugt. Auch sollte man auf einlitzig geknüpfte Knoten verzichten, hier ist die Reißkraftreduktion durch den Knoten besonders groß, und man erreicht mehr mit einer etwas dünneren, dafür aber zweilitzig geknüpften Schlinge. Bei der Praxis, in seichten Verengungen den inneren Strang der Schlinge abzuknoten, sollte man beachten, daß sich hier die Reißkraft der Schlinge um die Hälfte reduziert.

Bei Rißbreiten >14 mm und Verengungen im Bereich 6-20 mm sollte es kein Problem sein, eine gute Schlinge zu legen, es sollte aber eine gewisse Verengung schon vorhanden sein. Man sollte bei Schlingen immer darauf achten, daß die Enden lang genug sind (Faustregel: ca. 8*Schlingendurchmesser), da Knoten umklappen können. Sie lassen sich mit langen Enden auch leichter entfernen.

Grundsätzlich sollte immer die größtmögliche Schlinge verwendet werden, die in die Rißerweiterung paßt. Der zweilitzige Achterknoten ist der Knoten der Wahl.

Dies gilt insbesondere für nur schwach ausgeprägte Verengungen. Hier ist es dann außerdem noch sinnvoll, den Knoten vor dem Legen etwas auseinanderzuziehen und flachzudrücken. Noch besser für schwach ausgeprägte Verengungen sind wohl Bandschlingenknoten. Knoten aus breitem Bandmaterial erreichten ihre maximalen Haltekräfte schon hinter Verengungen, durch die sie sich vorher mühelos durchstopfen ließen!

Bei sehr schmalen Verengungen sind Bandschlingen die Schlingen der Wahl. Ist die Verengung schmaler als 2mm, kann nur einlitziges Flachband oder Rucksackgurt verwendet werden, was aber höchstens als Ruheschlinge taugt. Kann man wenigstens eine einlitzige Schlauchbandschlinge legen, hat man zumindest eine Schlinge, die einige Stürze hält. Mit zweilitzigen Schlauchband hat man dann schon eine sehr gute Schlinge.

Ist nur eine sehr schmale Erweiterung vorhanden, so kann man Flachband oder einen 3 mm Achterknoten probieren. Paßt eine einlitzige Schlauchbandschlinge, so hat man zumindest eine Schlinge, die auch einen Sturz halten kann.

Bei sehr großen Erweiterungen, bei denen ein 11 mm Achterknoten durchzurutschen droht, kann man einen Kinderkopfknoten einsetzen. Ein besseres Verhältnis von Platzbedarf zu maximaler Erweiterung erhält man aber, wenn man noch stärkeres Material einsetzt (z.B. 18mm Kernmantelseil, gelegentlich im Schiffsbedarf erhältlich). Eine gute Idee ist es auch, der Achterknoten mit 11 mm-Material 4-litzig zu knüpfen. Den größten Knoten erhält man, indem man ein komplettes gewickeltes Seil auf die Hälfte faltet, mit einem Prusikknoten zusammenbindet und das Ganze als Schlinge legt.

Ein Knotenschlingensortiment sollte Schlingenstärken von 5-11 mm lückenlos (am besten gleich mit Achterknoten) umfassen, zuzüglich einiger Schlauchbandschlingen. Sinnvoll erweitern kann man es noch durch 3mm, 4mm und Flachbandschlingen und nach oben hin durch Schlingen von 13-18 mm Stärke.

Wie sieht der Vergleich Knotenschlinge - Klemmkeil aus?

Die Diskussion über lokale Verwendungsverbote soll hier außer Acht gelassen werden. Ein Klemmkeil ist hart und glatt. Deshalb ist der Bereich von locker Durchstecken bis fest Klemmen sehr klein. Der Bereich von Erweiterungen <6mm und >30 mm ist besser abgedeckt; Klemmkeile sind auch einfacher und schneller zu legen. Mit Friends kann man dann auch völlig paralelle Risse absichern.

Eine Knotenschlinge ist weicher, hat daher größere Auflagefläche. Somit ist die Gefahr der Felsbeschädigung bei weichem Gestein geringer. Knotenschlingen sind etwas aufwendiger zu legen, man darf auch nicht vergessen, das es eine gewisse Bandbreite von gut Liegen bis Durchziehen gibt. Eine Knotenschlinge hat mehr Reibung zum Fels. Dies hat den Vorteil, das eine Knotenschlinge sich lange nicht so schnell wie ein Klemmkeil durch Seilbewegung löst. Auch kann man Knotenschlingen noch in relativ offene Risse und Löcher legen, an Stellen, wo ein Klemmkeil sofort wieder herausfallen würde.

Die Experimente wurden von Jörg Brutscher, André Hoose und Jens Freudenberger durchgeführt. Dem Institut für Werkstoffwissenschaft sei hier dafür gedankt, daß es die Zugprüfmaschine für diese Experimente zur Verfügung gestellt hat. Dank auch an Martin Lange für die Durchsicht des Artikels. Weitere Details der Experimente sind beim Autor einzusehen.

[1] Vergl.Diss. Helmut Mägdefrau: Die Belastung des menschlichen Körpers beim Sturz ins Seil und deren Folgen, erhältlich beim DAV Sicherheitskreis. Im weiteren auch: Mehr Sicherheit beim Bergsport, Teil 10, Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung


Und hier die Überbleibsel der Knotenschlingenversuche

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zuletzt geändert 24.8.97 Jörg Brutscher